Warum Du raus musst aus der Opferrolle

In unserer Gesellschaft liegt der Fokus immer noch sehr auf den Problemen und viel zu wenig auf den Heldengeschichten, die uns daran erinnern, wer wir wirklich sein können. Warum wir die Opferrolle ablegen sollten – und welche drei entscheidenden Schlüssel Dir dabei helfen.

Unsere Gesellschaft und die Opfer-Rolle

Als Gesellschaft haben wir den Fokus immer noch sehr auf den Problemen, dem Drama und den schlimmen Geschichten, und viel zu wenig bei den Heldengeschichten, die uns daran erinnern, wer wir sein können. Und genau dadurch glauben wir immer mehr, dass wir die Opfer und nicht die Gestalter unseres Lebens sind.

Evolutionsbiologische Ursprünge der Opfer-Rolle

Die Globalisierung, die Schnelligkeit und auch der Fokus der Medien führen heutzutage dazu, dass wir sehr schnell über jede Katastrophe in der Welt informiert sind. Was durchaus dem in uns innewohnenden Drang entspricht:

In früheren Zeiten, wo unser Lebensumfeld und Bewegungsradius noch viel kleiner waren, war es total sinnvoll, über alle Katastrophen und Gefahren in unserer Umgebung informiert zu sein – ob gerade Banditen im Dorf unterwegs sind, ob die Heuschreckenplage das Nachbardorf erreicht hat oder irgendeine Krankheit grassiert – weil wir dadurch unser Überleben sichern konnten.

Unser Gehirn ist bis heute so gebaut, dass es von uns klare Geschichten will, damit es weiß, wovor es uns beschützen muss – wenn uns jetzt Geschichten vom anderen Ende der Welt erreichen, springt es darauf eben auch sofort an.

Was kennzeichnet die Opfer-Rolle?

Die Opfer-Rolle ist vor allem gekennzeichnet durch folgende Dinge:

Auswirkungen der Opfer-Rolle

Die Forschung unterstreicht mittlerweile die Bedeutung von Ansätzen, die Menschen helfen, aus der Opfer-Rolle auszutreten; weil die Studien zeigen, dass das Verharren in der Opfer-Rolle negative Auswirkungen für uns hat in mehreren Bereichen:

  • Auf psychischer Ebene: Wenn wir uns häufig in der Opfer-Rolle erleben, führt dies in vielen Fällen zu chronischem Stress und unser Risiko, an Depressionen oder Angststörungen zu erkranken, steigt.
    Außerdem ist die Opfer-Rolle oft mit einem geringeren Selbstwertgefühl und einer geringeren Problemlösungsfähigkeit verbunden, weil wir unsere Kraft, unser Leben zu beeinflussen, zu gering einschätzen.
  • In unseren Beziehungen: In der Opfer-Rolle neigen wir dazu, andere für die Probleme verantwortlich zu machen; so gibt es mehr Konflikte und Spannungen. Außerdem werden wir abhängiger von den anderen, weil wir uns darauf verlassen, dass sie für uns die Probleme lösen.
  • Im Beruf und Sozialleben: Unsere Leistungsfähigkeit sinkt, weil wir weniger Verantwortung übernehmen wollen und weniger Impuls haben zur aktiven Mitgestaltung von Situationen.
    Und die Erwartung, dass die anderen uns bemitleiden, lässt andere Menschen häufig Abstand nehmen.

Die zwei größten Haken an der Opfer-Rolle

Die beiden größten Haken an der Opfer-Rolle sind dabei in meinen Augen diese beiden:

1. Der Kraftverlust

Die Opfer-Rolle ist immer mit dem Verlust unserer Kraft verbunden, weil wir sie durch das Feststecken in dieser Rolle nicht wirklich wahrnehmen und sie dadurch auch nicht einsetzen können; wir halten uns dadurch also selbst klein.

2. Die Täter-Opfer- Retter-Geschichten

Unser Kopf verbindet den Opfer-Platz immer damit, dass es, wenn es ein Opfer gibt, auch einen Täter und einen Retter geben muss.
Er fängt dann mit der Zeit an, alles, was wir erleben, in dieser Weise zu betrachten und in diese Rollenverteilung von Täter, Opfer und Retter zu packen.

Die kleinen Situationen unseres Alltags (z.B.: Jemand tritt uns versehentlich auf den Fuß, oder wir wollen irgendwo hin, und alle Ampeln sind rot.) genauso wie die existenziellen großen Situationen (z.B.: Wir bekommen eine schwere Erkrankung oder verlieren einen uns wichtigen Menschen.). Wir sind das Opfer, jemand anderes ist der Täter – in unserer Lebensgeschichte übrigens nicht selten unsere Eltern. Und manchmal ist in unseren Augen auch das Leben selbst der Täter.

 

Wie komme ich aus der Opfer-Rolle raus?

Wenn wir aus der Opfer-Rolle wieder austreten wollen, sind das bewusste Erkennen der eigenen Rolle und die Verantwortungsübernahme für die Auswirkungen natürlich der erste Schritt.

Und es gibt viele psychotherapeutische Techniken, die uns helfen, ein besseres Selbstbewusstsein, ein stabileres Selbstwertgefühl und mehr Selbstfürsorge zu erreichen. Die der Stressreduktion, der Auflösung von Ängsten oder beispielsweise der Verarbeitung von Traumata dienen. Auch für den Ausbau unserer sozialen Kompetenzen und Kommunikationsfähigkeiten z.B. zum Ausdruck unserer Bedürfnisse und zum Setzen von Grenzen. Diese Techniken können uns auf jeden Fall sehr weiterhelfen.

Man sieht Kerstin, eine Frau Mitte 40 mit langen blonden Haaren, in inniger Umarmung mit einer weiteren Frau, im Hintergrund sieht man weitere Personen.

Die drei entscheidenden Schlüssel, wie Du die Opfer-Rolle ablegst

Die drei absolut entscheidenden Schlüssel, wenn Du die Opfer-Rolle am Schopfe packen und sie wirklich verlassen willst, sind jedoch diese:

1. Du musst Schmerz und Leiden auseinanderhalten:

Schmerzhafte Erlebnisse wird es immer geben; Schmerz ist Teil unserer irdischen Existenz. Leiden ist, wenn wir den Schmerz zum Zentrum unserer Geschichten machen. Ein Nachbarschaftskonflikt, ein Zahnarztbesuch o.ä.: Wenn wir schon Stunden oder Tage vorher damit beschäftigt sind, wie schlimm es werden wird, oder wenn wir Wochen oder Monate, manchmal sogar Jahre danach immer noch darüber reden, wie schlimm es war…

Die Lösung ist: Du nimmst den Schmerz an, der ist da, aber Du lässt Dich nicht verführen, ihn zum Zentrum Deiner Geschichte zu machen und Dich dadurch in der Opfer-Rolle festzuhalten.

2. Du musst Dir erlauben, die Perspektive zu wechseln: 

Wenn Du an Deine Lebensgeschichte denkst, welche Situationen tauchen auf, in denen Du Dich als Opfer gefühlt hast? Und wie erzählst Du sie bis heute?

Wenn Du annimmst, dass Du gar nicht das Opfer dieser Situationen warst, wie erzählst Du Deine Lebensgeschichte dann?
Wie siehst Du Dich, Deine Kräfte und die Situation dann? Was siehst Du, was Du vorher noch nicht gesehen hast?

3. Du musst die anderen auch aus ihrer Rolle entlassen: 

Genauso, wie Du annimmst, dass Du nicht das Opfer einer Situation warst, entlasse auch alle anderen Beteiligten aus der Rolle:
Wenn Du annimmst, dass es in Deiner Geschichte weder Opfer noch Täter noch Retter gab, wie erzählst Du die Geschichte dann? Wie siehst Du nicht nur Dich, sondern auch die anderen Menschen dann?

Man sieht Kerstin, eine Frau Mitte 40 mit langen blonden Haaren, im Gespräch mit einem Mann in seinen 40ern, den man nur von hinten sieht. Beide sitzen im Schneidersitz auf dem Boden eines lichtdurchfluteten Seminarraums, neben ihnen ein bunter Blumenstrauß in einer Vase.

Was es nicht bedeutet, aus der Opfer-Rolle auszusteigen

Manchmal verwechseln wir das Aussteigen aus der Opfer-Rolle mit dem Verlust von Mitgefühl – das heißt es überhaupt nicht: Wir wollen nicht gleichgültig werden; wir brauchen totales Mitgefühl mit uns selbst und mit allen anderen Menschen und Lebewesen. Das Mitgefühl ist eine unserer wichtigsten und kostbarsten Eigenschaften.

Aber können wir gleichzeitig immer noch erkennen, wer wir wirklich sind, in unserer ganzen Größe?

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